Autokino

Es war samstäglich das Ziel für die durchaus alkoholschwangeren Ausfahrten mit dem Moped. In den abgefahrenden 70er-Jahren.  Ebenso freudig erregt, wie im Nachhinein ein wenig verschämt, geht’s um das Autokino, das in Kornwestheim als eines der ersten im Land die eigentlich autofahrenden Cineasten in Scharen anlockte.

Für die mopedfahrenden Spielfilmfreunde  hatte die Kornwestheimer Location durchaus eine ganz besonderes, nicht erwünschte Besonderheit: Entlang der Zufahrt zum Kino hatten die Betreiber einen Erdwall aufgeschüttet, um nicht zahlenden Autofahrern den Blick auf die riesige Leinwand zu weigern. Für jugendliche Biker, die in den 70er-Jahren noch nicht so bezeichnet wurden, war dieser Wall die begehrte Logocation, um etwa bei Easy Rider mit Peter Fonda, Dennis Hopper und Jack Nicholson von einer Tour durch die Weiten Amerikas zu träumen. Was durch das Vorhandensein von Halb-Gallonen-Jim-Beam, die ein Mopedkamerad durch seine Verbindungen in einen PX-Laden des Amry & Air Force Exchange Service bezahlbar besorgt hatte, mehr als bedenklich verstärkt wurde.

Der Filmton wurde damals noch über Alu-Druckguss-Lautsprecher ins Wageninnere übertragen. In heißten Sommernächten hatten die bezahlenden Kinobesucher dies Lautsprecher ganz lässig ans halbgeöffnete Seitenfenster des Wagens gehängt, und durch die Vielzahl der genützten Lautsprecher wurde auf wundersame Weise auf den Schutzwall übertragen. Einzige Einschränkung für die Kinobesucher-for-free war die Werbung für die legendären Autokino-Hamburger zwischen zwei Toastscheiben, dafür aber mit gegrilltem Hacksteak, Ketchup, Zwiebeln und (ganz wichtig) Gewürzgruke. Die bekannten Burgerbratketten waren in den 70er-Jahren noch unbekannt. So musste die Lust auf einen herzhaften Snack mit einem kräftigen Schluck aus der Halb-Gallonen-Flasche betäubt werden, was bei den spätnächtlichen Heimfahrten so manchen Schaden am Moped implizierte.

Es folgten Jahre des legalen Autokinobesuchs, in den während der Sturm-und-Drang-Zeit, bedingt durch die weibliche Begleitung, das Leinwandgeschehen eine eher untergeordnete Bedeutung hatte. Schließlich kam durch Filmpaläste, mangelndem Interesse an den immer gleichbleibende Hollywood-Schinken und eine eigene Wohnung das persönliche Aus für das Autokino. Es folgte ein ganz, ganz leiser Abgesang.

Unfassbar, nicht zu erwarten und nicht vorstellbar ist die augenblickliche Renaisannce des Autokinos – als Hort der regionalen Kultur. Boah!

Die Not, die Existenzangst, der Hunger nach der Bühne (oder gar nach Brot und Suppe) muss bei den Künstlern immens sein. Wie anders ist es zu erklären, dass sich Rampensäue wie eher  leise und nachdenkliche Akteure vor Stoßstangen, Scheinwerfern, Motorhauben und nicht erkennbarem Publikum hinter Frontscheiben darin versuchen, was sie lieben und was ihr Leben erfüllt – Kabarett, Musik, Comedy, Kultur eben.

Es ist einfach erbärmlich, dass man Künstler dazu vergewaltigt.

Es wird noch besser. Einige Kirchengemeinden sind nach dem politischen Glaubensverbot, das heißt mit dem atheistischen Kirchenzuschluss, auf die Autokino- beziehungsweise Supermarkt-Parkplatz-Idee beherzt aufgesprungen. Zu zweit im Auto wurde gebetet, vielleicht gesungen, möglicherweise dem Wort des Pfarrers gelauscht – und was weiß ich am Sonntagvormittag auf dem Rücksitz gemacht.

Mit Lichthupe, blinken und Signalhorn wurde bei der Kultur-im-Personenkraftwagen den Künstlern der Beifall signalisiert, nach dem Gottesdienst wurde die Freude mit Winken aus der Seitenscheibe mit einem weißen Tüchlein, die euphorische Begeisterung noch getoppt.

Hallelujah.

Aus der Nachbarschaft

Empathie ist ein ungeheuerliches Wort, und allein die beiläufige Verwendung dieses Begriffs ist eine wunderbare Möglichkeit sich als klugscheißender Bildungsbürger zu outen. Wenn man nun noch, so ganz nebenbei, seine gesunde Halbbildung mit der Erklärung des Wortes aus dem Altgriechischen einfließen lässt, werden die anerkennenden Blicke des Gegenüber die eigene Seelestreicheln. Also auf zum Mehrwert für Euch: Die Bedeutung des Hauptworts – äh Entschuldigung das Substantiv – pathos bedeutet „Leid, Unglück, Leiden, Leidenschaf und mit der Vorsilbe „en/em“ (en, an, auf) erhält man letztendlich die Bezeichnung „intensive Gefühlsregung bzw. Leidenschaf“ und diese wird auf ihrer Bedeutungswanderung ins Neugriechische, warum auch immer, zu „Voreingenommenheit, Feinseligkeit, Gehässigkeit“.

Und plötzlich bin ich dann auf wundersame Weise bei den Beobachtungen in der Nachbarschaf, und alles Gehässige, lässt sich herrlich mit Empathie erklären, obwohl zugegebenermaßen in der modernen Psychologie Empathie gleichermaßen mit Mitgefühl gleichgesetzt wird. Scheiß drauf.

Schon bin ich beim Lieblingspartner der Deutschen – dem verhätschelten, gemästeten, umsorgten,zur Verzückung bewegenden Haustier. Dabei unterscheiden wir zwischen Katzen- und Hundeliebhaber sowie alle anderen, wie Freunde von Aquarien, Terrarien, Laufradboxen mit Hamster, Meerschweinchen oder Rennmäusen. Letztere Gruppe kann bei den empathischen Beobachtungen durchaus vernachlässigt werden, denn mit vernünfigen Überlegungen lässt sich die Haltung dieser Tiere im heimischen Haushalt nur schwerlich erklären: Entweder erfordern sie einen immensen zeitlichen und finanziellen Einsatz oder sie sorgen lediglich für einen eigentümlichen Eigengeruch im sonst gemütlichen Heim.

Gut, man sollte nicht außer Acht lassen, dass man somit ungewollte Besuche von allerlei Menschen, die man letztlich nur mit Widerwillen in den eigenen vier Wänden empfangen oder noch schlimmer bewirten will, auf ein angenehmes Mindestmaß reduzieren.Hält man sich für intellektuell überlegen und im persönlichen Lebensplan für nicht angepasst mit einem Einkommen, das einen gut situiert erscheinen lässt – dann hat man eine Katze, oder im besten Fall auch eine mehr. Schließlich behauptet John Bradshaw, Verhaltensforscher an der britischen Universität Bristol, nach Jahren seiner Beobachtungen, dass Katzen ihrer menschlichen Begleiter nicht für dumm halten, denn Katzen reiben sich nicht an Artgenossen, die ihnen unterlegen sind. Katzen halten ihre Ernährer einfach für große Artgenossen, und sie verhalten sich so, wie sie es mit anderen ihrer Art tun – allerdings sind sie wohl der Überzeugung, dass die großenZweibeiner einfach nun ungeschickt sind, denn Katzen stolpern nur selten über Katzen, Menschen tun dies aber doch gelegentlich.Die katzenhaltende intellektuelle Elite vergöttert nahezu die Eigensinnigkeit ihrer domestizierten Stubentiger und lassen sich gerne von der pelzigen Intelligenz dazu missbrauchen, morgens um vier aufzustehen, um dem maunzenden Liebling sein bevorzugtes Leckerchen bereitwillig zu kredenzen. Schließlich wissen Katzen ganz genau, wie welches unterworfene Familienmitglied, wie in der katzengeprägten heimischen Gemeinschaf funktioniert. Katzenliebhaber kämen nie auf die Idee, ihren selbstbewussten und selbstsüchtigen Liebling mit Einschränkung oder gar Erziehungsversuchen zu malträtieren. Zumal dies auch ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen wäre. Es ist doch einfach viel angenehmer, die eigene Katze – so fern sich überhaupt die Wohnung verlassen dürfen – auf den gestressten Nachbarn loszulassen. Wer kennt nicht die krallenbewährten Ungetüme, die im liebevoll gepflegten Gartenteich die Goldfisch-Population harmonisieren, laut jaulend nächtens unter dem Schlafzimmerfenster fröhlich sexuelle Happeningsfeiern und mit ihren Ausscheidungen auch das normalerweise herrlich dufende Blütenbeet zu einem stinkenden Abtritt machen.

Katzenliebhaber beäugen im besten Fall mitleidig, ungünstiger Weise verächtlich, die aus ihrer Sicht eher unterprivilegierten Hundehalter. Schließlich ist es für einen geistig aufgeklärten Menschen unerträglich, vierbeinige Wesen sich unterzuordnen. Die emotionale Bindung, ja man muss sogar von Liebe sprechen, zwischen Mensch und dem Vierbeiner mit feuchter Nase ist so tief,gegenseitig und unverbrüchlich und vernünfiger Weise eigentlich nicht zu erklären. Sie geht so weit, dass aus, bei einer etwas durch überbordende Liebe missglückten Erziehung, „der tut doch nichts“ und anschließendem „der will nur spielen“ aus dem ausufernden Spieltrieb des vierbeinigen Lieblings leicht ein durchaus schmerzhafen Blutbad wird – beim Artgenossen ebenso wie beim unvorsichtigen Zweibeiner.Im Idealfall eine Gemeinschaf zwischen gerne so genannten Herr und Hund, können die Grenzen zwischen Mensch und Tier gerne und liebevoll verwischen. Spätestens dann, wenn Frauchen und Hündchen den nach Hause kommenden menschlichen Ehemann mit den Worten (von Frauchen) begrüßen: „Schau mal Hasso, hier kommt Papi“. Dem schockierten Beobachter bleibt dabei nur ein wenig emphatisches Staunen und eine nicht auflösbare Verwunderung. Obwohl, mit zunehmenderDauer der Liebes- und Lebensbeziehungen über Gattungen hinweg, gilt es ein außergewöhnliches Phänomen zu beobachten: Herr und Hunden gleichen sich in der Physiognomie immer mehr an, was bei einem sabbernden Boxerhund oder einem glubschaugigen Chihuahua für überbrodelnde Heiterkeit bei einem Außenstehend sorgt.