Aus der Nachbarschaft

Empathie ist ein ungeheuerliches Wort, und allein die beiläufige Verwendung dieses Begriffs ist eine wunderbare Möglichkeit sich als klugscheißender Bildungsbürger zu outen. Wenn man nun noch, so ganz nebenbei, seine gesunde Halbbildung mit der Erklärung des Wortes aus dem Altgriechischen einfließen lässt, werden die anerkennenden Blicke des Gegenüber die eigene Seelestreicheln. Also auf zum Mehrwert für Euch: Die Bedeutung des Hauptworts – äh Entschuldigung das Substantiv – pathos bedeutet „Leid, Unglück, Leiden, Leidenschaf und mit der Vorsilbe „en/em“ (en, an, auf) erhält man letztendlich die Bezeichnung „intensive Gefühlsregung bzw. Leidenschaf“ und diese wird auf ihrer Bedeutungswanderung ins Neugriechische, warum auch immer, zu „Voreingenommenheit, Feinseligkeit, Gehässigkeit“.

Und plötzlich bin ich dann auf wundersame Weise bei den Beobachtungen in der Nachbarschaf, und alles Gehässige, lässt sich herrlich mit Empathie erklären, obwohl zugegebenermaßen in der modernen Psychologie Empathie gleichermaßen mit Mitgefühl gleichgesetzt wird. Scheiß drauf.

Schon bin ich beim Lieblingspartner der Deutschen – dem verhätschelten, gemästeten, umsorgten,zur Verzückung bewegenden Haustier. Dabei unterscheiden wir zwischen Katzen- und Hundeliebhaber sowie alle anderen, wie Freunde von Aquarien, Terrarien, Laufradboxen mit Hamster, Meerschweinchen oder Rennmäusen. Letztere Gruppe kann bei den empathischen Beobachtungen durchaus vernachlässigt werden, denn mit vernünfigen Überlegungen lässt sich die Haltung dieser Tiere im heimischen Haushalt nur schwerlich erklären: Entweder erfordern sie einen immensen zeitlichen und finanziellen Einsatz oder sie sorgen lediglich für einen eigentümlichen Eigengeruch im sonst gemütlichen Heim.

Gut, man sollte nicht außer Acht lassen, dass man somit ungewollte Besuche von allerlei Menschen, die man letztlich nur mit Widerwillen in den eigenen vier Wänden empfangen oder noch schlimmer bewirten will, auf ein angenehmes Mindestmaß reduzieren.Hält man sich für intellektuell überlegen und im persönlichen Lebensplan für nicht angepasst mit einem Einkommen, das einen gut situiert erscheinen lässt – dann hat man eine Katze, oder im besten Fall auch eine mehr. Schließlich behauptet John Bradshaw, Verhaltensforscher an der britischen Universität Bristol, nach Jahren seiner Beobachtungen, dass Katzen ihrer menschlichen Begleiter nicht für dumm halten, denn Katzen reiben sich nicht an Artgenossen, die ihnen unterlegen sind. Katzen halten ihre Ernährer einfach für große Artgenossen, und sie verhalten sich so, wie sie es mit anderen ihrer Art tun – allerdings sind sie wohl der Überzeugung, dass die großenZweibeiner einfach nun ungeschickt sind, denn Katzen stolpern nur selten über Katzen, Menschen tun dies aber doch gelegentlich.Die katzenhaltende intellektuelle Elite vergöttert nahezu die Eigensinnigkeit ihrer domestizierten Stubentiger und lassen sich gerne von der pelzigen Intelligenz dazu missbrauchen, morgens um vier aufzustehen, um dem maunzenden Liebling sein bevorzugtes Leckerchen bereitwillig zu kredenzen. Schließlich wissen Katzen ganz genau, wie welches unterworfene Familienmitglied, wie in der katzengeprägten heimischen Gemeinschaf funktioniert. Katzenliebhaber kämen nie auf die Idee, ihren selbstbewussten und selbstsüchtigen Liebling mit Einschränkung oder gar Erziehungsversuchen zu malträtieren. Zumal dies auch ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen wäre. Es ist doch einfach viel angenehmer, die eigene Katze – so fern sich überhaupt die Wohnung verlassen dürfen – auf den gestressten Nachbarn loszulassen. Wer kennt nicht die krallenbewährten Ungetüme, die im liebevoll gepflegten Gartenteich die Goldfisch-Population harmonisieren, laut jaulend nächtens unter dem Schlafzimmerfenster fröhlich sexuelle Happeningsfeiern und mit ihren Ausscheidungen auch das normalerweise herrlich dufende Blütenbeet zu einem stinkenden Abtritt machen.

Katzenliebhaber beäugen im besten Fall mitleidig, ungünstiger Weise verächtlich, die aus ihrer Sicht eher unterprivilegierten Hundehalter. Schließlich ist es für einen geistig aufgeklärten Menschen unerträglich, vierbeinige Wesen sich unterzuordnen. Die emotionale Bindung, ja man muss sogar von Liebe sprechen, zwischen Mensch und dem Vierbeiner mit feuchter Nase ist so tief,gegenseitig und unverbrüchlich und vernünfiger Weise eigentlich nicht zu erklären. Sie geht so weit, dass aus, bei einer etwas durch überbordende Liebe missglückten Erziehung, „der tut doch nichts“ und anschließendem „der will nur spielen“ aus dem ausufernden Spieltrieb des vierbeinigen Lieblings leicht ein durchaus schmerzhafen Blutbad wird – beim Artgenossen ebenso wie beim unvorsichtigen Zweibeiner.Im Idealfall eine Gemeinschaf zwischen gerne so genannten Herr und Hund, können die Grenzen zwischen Mensch und Tier gerne und liebevoll verwischen. Spätestens dann, wenn Frauchen und Hündchen den nach Hause kommenden menschlichen Ehemann mit den Worten (von Frauchen) begrüßen: „Schau mal Hasso, hier kommt Papi“. Dem schockierten Beobachter bleibt dabei nur ein wenig emphatisches Staunen und eine nicht auflösbare Verwunderung. Obwohl, mit zunehmenderDauer der Liebes- und Lebensbeziehungen über Gattungen hinweg, gilt es ein außergewöhnliches Phänomen zu beobachten: Herr und Hunden gleichen sich in der Physiognomie immer mehr an, was bei einem sabbernden Boxerhund oder einem glubschaugigen Chihuahua für überbrodelnde Heiterkeit bei einem Außenstehend sorgt.